Eine Jeans für 13 Euro, eine Smartwatch für neun Euro oder ein Blutdruckmessgerät für nicht mal sieben Euro: Die chinesischen Online-Marktplätze wie Temu, Shein und AliExpress locken Kunden mit extrem niedrigen Preisen und hohen Rabatten. „Mit dem Direktverkauf über Online-Plattformen kommen massenhaft Produkte auf den europäischen Markt, die nicht die geltenden Anforderungen an die Produktsicherheit erfüllen“, sagt Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands.
Giftige Chemiekalien im Spielzeug
Viele über ihre Plattformen angebotene und gelieferte Produkte entsprechen nicht den EU-Standards für Produktsicherheit. Experten und Verbraucherschützer warnen vor erheblichen Risiken für Käufer, da solche Produkte oft ohne angemessene Kontrollen direkt aus Drittstaaten importiert werden.
Laut Patrick Zahn vom Textildiscounter Kik liefern allein Temu und Shein rund 500.000 Pakete pro Tag – die meisten zollfrei – nach Deutschland. „Niemand schafft es, die Einhaltung der diversen deutschen Richtlinien – zum Einsatz von Chemikalien und zur Sicherheit von Kinderspielzeug – zu kontrollieren“, sagt Patrick Zahn, Firmenchef des Textildiscounters Kik, dem Portal Pioneer. China liefere in einen de facto rechtsfreien Raum.
Wer sich nicht an die Regeln hält, der kriegt halt irgendwann den Laden abgeschlossen. – Patrick Zahn
Möglich ist das, da Temu und Shein nur als Plattformen agieren. Die Hersteller aus China oder Bangladesch liefern direkt an die deutschen Haushalte. Diese gelten in dem Sinn als „Importeure“, die die Waren dann kontrollieren müssten.

Eine Vielzahl der Waren auf diesen Plattformen – von Kleidung bis zu Elektronik – besitzt nicht die erforderlichen CE-Kennzeichnungen (EU-weiten Anforderungen an Sicherheit, Gesundheitsschutz und Umweltschutz). Die Bundesnetzagentur hat im Jahr 2023 rund 5.000 Warensendungen aus Drittstaaten kontrolliert und festgestellt, dass 92 Prozent dieser Waren nicht den EU-Vorschriften entsprachen. Der Handelsverband HDE meldete, dass etwa 60 Prozent der gelieferten Produkte wegen Verstößen gegen das Chemikalienrecht nicht verkehrsfähig waren.
EU will Plattformen Temu und Shein verpflichten, unsichere Produkte zu entfernen
Der Online-Handel hat in den letzten Jahren stark zugenommen: Etwa drei Viertel der EU-Bürgerinnen und -Bürger kaufen regelmäßig online ein, wobei ein signifikanter Anteil Produkte aus Drittstaaten, insbesondere China, bestellt. Plattformen wie Temu und Shein profitieren von diesem Boom durch aggressive Preisstrategien und Direktversand an die Kunden. Plattformen aus China stehen dabei vorne: 45 Prozent der Verbraucher, die in Drittländern einkaufen, haben laut DHL im Jahr 2023 chinesische Produkte gewählt. Weltweit lag der US-Konzern Amazon vor Aliexpress, danach folgten Shein und Temu, berichtet der BR.
Auf der EU-Ebene werden Maßnahmen diskutiert, um die Problematik einzudämmen. Der „Digital Services Act“ (DSA) verpflichtet Plattformen, unsichere Produkte zügig zu entfernen und klare Ansprechpartner in der EU bereitzustellen. Zusätzlich fordert der TÜV-Verband eine strengere Kontrolle durch Zollbehörden und Marktüberwachungsstellen. Aktuell wird auch eine Zollreform verhandelt, die hauptsächlich kleine Pakete unter 150 Euro stärker kontrollieren soll. Plattformen wie Temu wurden bereits von der EU-Kommission aufgefordert, detaillierte Informationen zu ihren Sicherheitsverfahren vorzulegen, um potenziell gefährliche Produkte besser zu identifizieren.
Temu rechtfertigt sich
Temu teilte als Reaktion auf das EU-Verfahren mit, dass es seine Verpflichtungen ernst nehme und kontinuierlich investiere, um sein Regelungssystem zu stärken und die Konsumenteninteressen auf seiner Plattform zu schützen. «Wir werden vollumfänglich mit den Aufsichtsbehörden zusammenarbeiten, um unser gemeinsames Ziel eines sicheren und vertrauenswürdigen Marktplatzes für Konsumenten zu unterstützen», so das Unternehmen weiter.
Kik-Chef Zahn sagt, dass der deutsche Staat, der um die Missstände weiß (auch Wirtschaftsminister Habeck wurde im Detail informiert), entschlossen handeln müsse. Seine Aufforderung an die Regierung: „Wer sich nicht an die Regeln hält, der kriegt halt irgendwann den Laden abgeschlossen.“ Bei den Kik-Läden in Deutschland müssten auch die Brandschutzrichtlinien eingehalten werden.
Verbraucherschützer empfehlen, bei besonders günstigen Angeboten Vorsicht walten zu lassen und auf Prüfzeichen wie das CE-Zeichen zu achten.