In den vergangenen Monaten hatten viele Kunden das Gefühl, alles wird teurer. Doch beim Blick auf die Preisanzeigen an den Tankstellen zeigt sich, das stimmt nicht. Der Benzinpreis ist laut dem Automobilclub ADAC auf den niedrigsten Stand des Jahres gefallen. Für einen Liter Super E10 müssen die Autofahrerinnen und Autofahrer derzeit in Deutschland durchschnittlich 1,71 Euro bezahlen.
Günstiger als jetzt war Benzin zuletzt am 31.12.2023. Auch Diesel ist abermals preiswerter als in der Vorwoche: Ein Liter kostet aktuell im Schnitt 1,59 Euro. Das sind nicht nur 1,3 Cent weniger als in der Vorwoche, sondern ist gleichzeitig auch der niedrigste Stand seit Mitte Juni 2023.

Der Grund ist sehr einfach zu benennen: Die Ölpreise sind deutlich nach unten gegangen. Rohöl der Nordsee-Sorte Brent kostet aktuell rund 77 US-Dollar je Barrel. Hinzu kommt, dass der Euro im Vergleich zum US-Dollar deutlich stärker notiert und mit über 1,11 Dollar je Euro ein Jahreshoch erreicht hat.
Das ist erstaunlich. Permanent berichteten zahlreiche Medien, dass aufgrund des Gaza-Kriegs zwischen Israel und der Hamas sowie der Involvierung des Irans, große Unsicherheit am Ölmarkt herrscht. Aufgrund der Kriegsgefahr zwischen Israel und dem Iran müssten die Öl-Notierungen eigentlich steigen. Meldungen zu Gesprächen über einen Waffenstillstand beruhigen zusätzlich die Lage.

Es muss also einen anderen Grund geben: Die US-Rohölvorräte sind in der vergangenen Woche um 347.000 Barrel gestiegen, wie Marktquellen unter Berufung auf Zahlen des American Petroleum Institute am Dienstag mitteilten. Die Vereinigten Staaten sind der weltweit größte Produzent und Verbraucher von Erdöl, und die wachsenden Lagerbestände deuten auf ein Überangebot hin, das die Preise beeinträchtigen könnte.
Haupttreiber für den Rückgang sind nach Einschätzung verschiedener Experten anhaltende Sorgen über die schwächelnde Nachfrage aus China, dem weltweit größten Ölimporteur. Die schwächelnde chinesische Wirtschaft dämpfe die Ölnachfrage, heißt es in dem jüngst vorgelegten Monatsbericht der Internationalen Energieagentur (IEA). Der globale Verbrauch sei im zweiten Quartal um lediglich 710.000 Barrel pro Tag gestiegen. Dies ist der geringste Anstieg seit Ende 2022.
Schlechte Konjunktur führt zu weniger Öl-Nachfrage
China hat mit riesigen Investitionsprogrammen die Wirtschaft aus der Corona-Krise geholt. Doch nun läuft dieser Effekt aus. Im zweiten Quartal ist die chinesische Wirtschaft nach offiziellen Angaben nur noch um 4,7 Prozent gewachsen. Das ist für diesen Wirtschaftsriesen ein sehr niedriger Wert. Das Platzen einer Immobilienblase, Überkapazitäten etwa im Automobil- und Solarsektor und ein nachlassender Konsum stellen das Land vor enorme Herausforderungen.
Vielleicht ist die Antwort aber auch eine ganz andere: In China steigen aktuell die E-Auto-Verkäufe rasant an. Wie das „Handelsblatt“ unter Berufung auf eine Analyse der Zulassungszahlen des Automotive-Datenspezialisten Marklines berichtet, wurden 2020 noch 94 Prozent aller Neuwagen im wichtigsten Pkw-Markt der Welt mit konventionellen Kraftstoffen wie Benzin oder Diesel angetrieben. Im ersten Halbjahr 2024 waren es aber nur noch 59 Prozent. Im Juli wurden dann laut dem chinesischen Autoverband CPCA erstmals mehr New Energy Vehicles (BEV, PHEV und FCEV) ausgeliefert als reine Verbrenner.
E-Auto-Markt wächst rasant
Auch globale nimmt die Nachfrage nach E-Autos rasant zu: Im vergangenen Jahr wurden 13,7 Mio. E-Autos verkauft, was einem Marktwachstum von 35 Prozent entspricht. Überdurchschnittlich zogen die Verkäufe in China (plus 37 Prozent auf über 8 Mio. Fahrzeuge) und den USA an (plus 48 Prozent auf knapp 1,5 Mio. E-Autos). Europa lag mit plus 16 Prozent auf über 3 Mio. E-Autos beim Wachstum zurück. Insgesamt waren 13 Prozent aller global verkauften Neufahrzeuge 2023 batterieelektrisch angetrieben, 6 Prozent hatten einen Plugin-Hybrid, heißt es in einer Studie von McKinsey. Womöglich hat die schwächere Ölnachfrage auch damit zu tun, dass der Wachstumstreiber Autoverkehr immer schwächer wird.