Magdeburger Wirtschaftsforscher: Mineralölkonzerne verdienen sich an hohem Dieselpreis „dumm und dusselig“

Leipzig – Der Magdeburger Wirtschaftsforscher Horst Gischer wirft den großen deutschen Mineralölkonzernen Abzocke vor: Das, was in Deutschland mit den Spritpreisen gemacht werde, sei ein „barbarischer Unfug“. Es sei international äußerst unüblich, die Preise mehrfach am Tag „in einer nicht begründbaren Weise“ zu ändern, sagte Gischer, dem MDR. Gischer ergänzte, die Anbieter von Rohölprodukten an der Tankstelle verdienten sich im Augenblick „dumm und dusselig“. Da sollte das Kartellamt gelegentlich drauf gucken und fragen, ob das noch irgendetwas mit Wettbewerbsverhalten zu tun habe.

Gischer, der an der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg Professor für Volkswirtschaftslehre ist, kritisiert vor allem zwei Dinge: Zum einen, dass die Preise an der Tankstelle bis zu 20 Mal am Tag geändert würden. In Australien sei das gesetzlich unterbunden. Der Preis werde nur einmal täglich festgesetzt. Sein zweiter Punkt ist noch schwerwiegender: „Sie müssen sich klarmachen, dass im Augenblick an der Zapfsäule Preise verlangt werden für ein Produkt, das bereits vor etwa einem halben Jahr produziert worden ist. Also zu Kosten, die mit den heutigen mutmaßlichen Einstiegspreisen überhaupt nichts zu tun haben.“

Ölpreise gesunken, Dieselpreis bleibt oben

Mit  Beginn des Ukraine-Krieges am 24. Februar schossen die Öl- und Kraftstoffpreise in die Höhe. Die Händler hatten vor allem Angst vor Versorgungsengpässen. Schließlich liefert Russland gut ein Drittel des Öls und knapp ein Drittel des Diesels, die in Deutschland verbraucht werden. Doch während die Ölpreise  schon wieder kräftig gesunken sind, bleibt das bei den Spritpreisen aus.

Die Mineralölwirtschaft muss die Kostensenkungen auf dem Ölmarkt an die Verbraucher weitergeben

Energieexpertin Marion Jungbluth

Im Vergleich zur Vorwoche kletterte der Preis für einen Liter Diesel um 14,2 Cent und liegt aktuell bei durchschnittlich 2,292 Euro. Das zeigt die aktuelle ADAC Auswertung der Kraftstoffpreise in Deutschland. Danach verteuerte sich auch Benzin erneut deutlich. Für einen Liter Super E10 müssen die Autofahrer im bundesweiten Mittel 2,192 Euro bezahlen, das sind 8,9 Cent mehr als vor Wochenfrist. Der Preis für Rohöl der Sorte Brent pendelt derzeit um die 100 US-Dollar und liegt damit mehr als 25 Dollar unter dem Niveau der Vorwoche. Warum die Kraftstoffpreise nicht gefallen, sondern erneut massiv gestiegen sind, liegt laut ADAC neben kriegsbedingten Verwerfungen auch daran, dass „die Mineralölkonzerne in ihrem Raffineriegeschäft derzeit kräftig mitverdienen“.

Habeck schaltet das Bundeskartellamt ein

Das Verbraucherportal benzinpreis.de hat ermittelt, dass der Anteil, den Raffinerien, Transportfirmen und Tankstellen beim Dieselverkauf einnehmen, von 37 Cent je Liter auf zuletzt mehr als 80 Cent je Liter gestiegen ist (siehe Grafik) Energieexpertin Marion Jungbluth von der Verbraucherzentrale Bundesverband sagte der Mitteldeutschen Zeitung: „Die Mineralölwirtschaft muss die Kostensenkungen auf dem Ölmarkt an die Verbraucher weitergeben.“

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) reagiert bereits auf die Preisdiskussion. Er  hat das Bundeskartellamt  um eine Prüfung der derzeit sehr hohen Spritpreise gebeten. Die Behörde solle „bei jeglichem Hinweis auf missbräuchliches Verhalten tätig“ werden, erklärte Habeck am Mittwoch.

Gischer glaubt jedoch, dass Chancen eines erfolgreichen Eingreifens des Kartellamtes „gegen Null“ gehen. Das Kartellrecht sei kompliziert, sagte der dem MDR. Konkret gehe es im Wettbewerbsrecht um das Thema „Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung“. Das sei ein endloser Prozess. Gischer forderte, die Regeln dafür zu ändern: „Und wenn Sie einfache Regeln haben, dann sind die Verfolgung dieser Regeln und die Überprüfung etwas einfacher als das, was im Augenblick an der Zapfsäule passiert.“