Stromnetze am Limit: Die Blackout-Gefahr steigt

Licht bald aus? > Foto: Petria Follett/FreeImages

Leipzig – Stillstehende Straßenbahnen, ruhende Produktionsmaschinen und Menschen, die in Fahrstühlen festsaßen: Ein handelsüblicher Ballon, wie er bei Hochzeiten oder Kinderfeiern verwendet wird, hatte 13. September 2021 in Dresden einen großflächigen Blackout ausgelöst. 300.000 Menschen hatten mehr als eine Stunde keinen Strom. Laut Sachsen-Energie war ein mit Aluminium beschichteter Luftballon an einem sensiblen Punkt einer Schaltanlage des Umspannwerks Dresden-Süd gelandet und löste einen Kurzschluss aus, der eine fatale Kettenreaktion zur Folge hatte. Die Polizei geht von einem Unfall aus. Doch: Reicht die Sicherheit bei Umspannwerken?

Der Chef des größten ostdeutschen Netzbetreibers gab dazu in der Mitteldeutschen Zeitung ein Interview: „Bei unseren 200 Umspannwerken haben wir Zutrittssicherungen und sehr oft Videoüberwachung. Solche Anlagen erzeugen große magnetische Felder und lassen sich daher auch schlecht in Gebäuden unterbringen, das wäre auch sehr teuer“, sagt Dirk Sattur, Technischer Geschäftsführer der Mitnetz Strom mit Sitz in Kabelsketal (Sachsen-Anhalt). Die Mitnetz habe in den vergangenen Jahren das Problem gehabt, „dass versucht wurde, durch Eindringen von außen, metallische Rohstoffe zu erbeuten“. Dagegen würde man sich schützen. Im Dresdner Fall sei der Eingriff von oben gekommen. „So etwas ist bei uns noch nicht vorgekommen“, so Sattur. Diese Aussage lässt tief blicken: Die lebensnotwendige Strominfrastruktur ist an wichtigen Netzknoten „von oben“ halt nicht geschützt.

Doch auch ohne Unfälle im – oder sogar Anschläge auf das – Stromnetz wird die Stabilität in den kommenden Jahren auf eine harte Probe gestellt.  „Es lässt sich nicht leugnen, dass durch die Einspeisung von Wind- und Solarstrom die Volatilität im Hochspannungsnetz deutlich zunimmt. Zudem wird der Strombedarf im Niederspannungsnetz durch E-Autos und Wärmepumpen sehr viel größer werden. Das macht Stromversorgung komplexer und damit steigt zwangsläufig die Fehleranfälligkeit“, sagte Sattur weiter.

Bisher ist es den Netzbetreibern in Deutschland gelungen, mit den Schwankungen klarzukommen. Die Zahl der Stromausfälle sinkt sogar.  Im Jahr 2020 bekam laut Bundesnetzagentur jeder Haushalt und jedes Unternehmen im Schnitt rund 10,73 Minuten lang keinen Strom, berichtet Die Zeit. Bundesweit war die Dauer der sogenannten Versorgungsunterbrechungen damit um 1,47 Minuten kürzer als im Vorjahr. Das sei der niedrigste Wert seit der ersten Veröffentlichung der Zahlen durch die Bundesnetzagentur im Jahr 2006. Damals summierten sich die Stromunterbrechungen im Schnitt auf etwa 21,53 Minuten.

Also alles halb so schlimm? Mitnichten. Denn die Netzbetreiber müssen immer häufiger Windkraftanlagen abschalten, damit das Netz stabil bleibt. Im Jahr 2014 gingen laut Bundesnetzagentur dadurch 1200 Gigawattstunden Strom verloren. Im Jahr 2019 waren es knapp 6300 Gigawattstunden. Ein Ausgleich durch konventionelle Energieträger wird zumindest in Deutschland in den kommenden zwei Jahren schwieriger. Ende 2022 würden die letzten Atommeiler abgeschaltet, sagt Energieexperte Manuel Frondel vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen, der MZ. Zugleich gingen ältere Kohlekraftwerke vom Netz. „Etwa ein Fünftel der konventionellen Energieträger verschwindet vom Markt“, erläutert der Energiefachmann. Er geht davon aus, dass wir „auf eine Stromknappheit zusteuern“.

Die aktuell steigenden Strompreise führt Frondel auch darauf zurück, dass sich viele Markteilnehmer schon jetzt mit Strom für die kommenden Jahre eindecken. Zudem kommt der Strommarkt durch die rapid gestiegenen Gaspreise unter Druck. Im   langjährigen Mittel schwankt der Preis für die fossile Energiequelle zwischen 15 und 20 Euro pro Megawattstunde (MWh). Aktuell liegt er bei 65 Euro pro MWh und hat sich damit innerhalb von nur wenigen Monaten mehr als verdreifacht. „So stark steigende Gaspreise über einen so langen Zeitraum gab es noch nie“, sagt Energiemarktexperte Fabian Huneke vom Beratungsunternehmen Energy Brainpool dem Handelsblatt. Wie kritisch die Situation werden kann, zeigt das Beispiel Großbritannien, heißt es weiter Dort erwägt die Regierung, Energieversorger mit Krediten zu unterstützen. Der Preisanstieg zwang bereits vier kleinere britische Versorger, den Handel einzustellen. Im Vereinigten Königreich sind die Tarife seit Jahresbeginn um satte 250 Prozent gestiegen. „Wenn wir die Situation nicht in Ordnung bringen, stehen uns Blackouts in diesem Winter bevor“, sagte Catherine Newman, Chefin von Limejump, einer Tochtergesellschaft des Energiekonzerns Royal Dutch Shel, laut einem Bericht der FAZ.